Ich möchte dir von Fridolin erzählen, einem kleinen Raubvogel, der selber jagen will. In der Schule ist er ehrgeizig, er will beweisen, dass er es kann. Er lauscht gefesselt und interessiert den erfahrenen Vögeln. Er kann sich vorstellen, wie es ist, durch die Luft zu gleiten. Er visualisiert! In Gedanken dreht er sich, steigt auf und sinkt wieder herunter. Fridolin fliegt Pirouetten und spürt sogar den Widerstand. Er beschreibt genau, was er machen muss und ihm wird gestattet, in die Flugschule zu gehen. Mit seinen Schulfreunden begibt er sich voller Eifer zur ersten Flugstunde und stellt sich hin und beginnt zu flattern. Aber irgendwie… er flattert mehr und irgendwie wackelt nur der Körper. Fridolin ist etwas irritiert. Er hat doch gelernt, was zu machen ist. Das macht er auch, aber es klappt nicht. Der kleine Vogel guckt sich um und denkt sich… der da drüben, warum klappt das bei dem? Der hat doch nur schlechte Noten gehabt… Fridolin nimmt Anlauf. Heimlich, weil es ja eigentlich ohne Anlauf gehen sollte. Aber auch das klappt nicht. Er strengt sich an und streckt sich und flattert, was das Zeug hält, aber er hebt nicht ab.
Er fragt Fila, eine Mitschülerin, ob sie ihm helfen kann. Sie schmieden den Plan, dass er irgendwo hoch krabbelt und sich fallen lässt, dabei mit den Flügeln flattert und dann wird es halt irgendwie schon. Gesagt, getan, er klettert auf einen Stein und lässt sich fallen. Hmpf! Irgendetwas hat nicht geklappt… Vielleicht war der Stein nicht hoch genug, denken sich die beiden. Oh, der Baumstamm dort! Kletter da mal hoch, sagt Fila. Fridolin zieht sich hoch und klettert. Oben angekommen, guckt er runter und denkt sich – uff ganz schön hoch. Er flattert und nichts passiert, er streckt sich, wackelt und flattert erneut und nichts passiert. Er nimmt den ganzen Mut zusammen, schließt die Augen und voller Hoffnung lässt er sich fallen.
Autsch!
Das ging schief.
Fila redet auf Fridolin ein und sagt: Geh’ zum Lehrer, denn wenn du die Prüfung nicht schaffst, bist du kein richtiger Raubvogel.
Er nimmt den ganzen Mut zusammen und beichtet dem Lehrer, dass er es nicht schafft. Er solle sich einfach nur mehr anstrengen und guten Willen zeigen, dann wird das schon.
Fridolin strengt sich aber an, wirklich. Er gibt alles, er powert durch und flattert, nimmt Anlauf, hüpft, streckt sich – es wird nichts.
Irgendwann verlassen ihn seine Kräfte. Er sieht keinen Erfolg. Kein Vorankommen. Es frustriert ihn. Fridolin zieht sich zurück und will nicht mehr mitmachen. Es bringt doch eh nichts, denkt er sich. Ich kanns einfach nicht.
Aufgeben zählt aber nicht. Er zieht sich Tutorials rein: “Lerne fliegen in 5 Schritten”, “Dein Perfekter Start in 5 Minuten”, “So hab ich’s gelernt! Einfach fliegen lernen!” Er lernt Tipps und das Wichtigste, er lernt sich zu motivieren!
Er will es nochmal versuchen, er bekommt Nachhilfeunterricht. Ein besserer Lehrer bringt vielleicht bessere Ergebnisse. Aber auch der Lehrer wird es ihm nicht beibringen können.
Fridolin ist ein Raubvogel, der einfach nicht fliegen kann.
Weiter will er nicht und gibt auf, er will nicht mehr. Er klettert auf die höchste Klippe, die er kennt. Seine Mitschülerin ist traurig, sie will ihn abhalten, aber will nicht mehr fliegen lernen. Seine Entscheidung steht fest. Er lässt sich von der Klippe fallen. Er spürt den Wind an sich vorbei ziehen, er zieht an den Augen und Tränen kommen zum Vorschein. Fridolin merkt, dass ihm seine Flügel nicht helfen. Er saust hinab und verabschiedet sich innerlich von der Welt, die er kennengelernt hat. Von den blöden Lehrerinnen, die ihn immer damit konfrontiert haben, dass er nicht fliegen kann. Aber auch von der Fila, die sich liebevoll um ihn gekümmert hat und wirklich wollte, dass er fliegen kann.
Fridolin dreht sich, er schraubt sich förmlich nach unten und er genießt den Sturzflug. Wie ein echter Raubvogel, der einen Hasen, eine Maus oder einen Fisch fangen will.
Ein Fisch? Fridolin wird wach! Er vergisst den gesamten Schwermut. Er sieht einen Fisch am Grund! Alter spinnst du, was macht da ein Fisch? Den jag ich und wenn es das letzte ist, was ich tue! Der ist meiner! Denkt er sich.
Er hat volle Körperspannung, lässt den Fisch nicht mehr außer Augen. Er lenkt und visiert! So wie er es gelernt hat. Das wird der Hammer!, freut er sich, er blendet alles aus, der Fisch kommt immer näher, immer schneller, immer näher!
Und! Schnabel auf! Er schlägt auf!
Nein! Tut er eben nicht! Er taucht ein! Fridolin lebt, er hat den Fisch im Schnabel. Aber die Luft ist weg. Er ist im Wasser. Er hat den verdammten Fisch im Schnabel und fliegt – oder sowas in der Art. Er fliegt im Wasser!!! So ne scheiße das geeeht? Er dreht seine Pirouetten, – links, rechts, pfeilschnell. Hoch, runter genau dasselbe und er hat den Fisch immer noch im Schnabel!
Er gibt Highspeed, zieht nach oben – powert durch, was er nur kann – springt aus dem Wasser raus – er schreit ein überglückliches ALTER! WAS NE SCHEIßE!. Verliert dabei den Fisch. Ups – wha mein Fisch, denkt er sich und taucht wieder ein. Pech für den Fisch. Glück für Fridolin. Er gibt wieder Gas und springt aus dem Wasser. Er sieht den Strand und schwimmt hin. Am Strand ist die Freude riesig! Er trifft Fila wieder und erzählt ihr, was er erlebte. Fridolin wollte nicht mehr zurück. Er weiß, was er kann. Er kann jagen! So viel steht fest.
Fortan Treffen sich Fridolin, der eigentlich ein Pinguin ist, und Fila, die Ente am Wasser und erzählen sich, was sie schönes erlebt und gelernt haben.
Info
Turmfalken fliegen 50-60 km/h
Eselpinguine schwimmen bis zu 40 km/h
Basstölpel können Stoßtauchen